iso2BIM

Projektlaufzeit: 07.2022 - 09.2024

Projektpartner: Schwarzmanns Maschinenbau GmbH

Projektträger: Deutsche Bundesumweltstiftung
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
In Industrieanlagen entstehen durch veraltete Dämmungen sowie vollständig ungedämmte Rohre und Armaturen jährlich hohe Energieverluste. Eine Studie der European Industrial Insulation Foundation beziffert das jährliche Einsparpotenzial in Europa auf 40 Mio. Tonnen CO₂, was dem Emissionsäquivalent von 20 Millionen Autos entspricht. Eine wesentliche Ursache für die niedrige Quote gedämmter Anlagen, insbesondere bei Sonderformen wie Armaturen, ist die von manueller Arbeit geprägte Arbeitsweise in der Isolierbranche, wodurch entsprechende Maßnahmen aufwendig und teuer werden. Darüber hinaus belasten Imageprobleme und Fachkräftemangel die Branche. Ziel des Projekts ist es daher, die Arbeitsprozesse in der Isolierbranche zu digitalisieren. Hierzu soll eine Schnittstelle geschaffen werden, um vorhandene Planungsdaten (Building Information Modelling, BIM) für die Fertigung nutzen zu können. Für den Fall, dass solche Daten fehlen, soll außerdem ein kostengünstiges Messsystem entwickelt werden, das ein digitales, berührungsloses Aufmaß ermöglicht.
Aktivitäten
Zur Nutzung bestehender Planungsdaten wurde eine Schnittstelle für BIM-Systeme entwickelt. Mithilfe eines Plug-ins können in Autodesk Revit Isometriedaten der Rohrleitungen in ein entsprechendes Format exportiert werden, um diese anschließend für den Fertigungsprozess an den Blechzuschneideanlagen zu verwenden. Um das Aufmaß auch im Falle fehlender digitaler Daten effizient zu gestalten, wurde ein kostengünstiges Messinstrument namens „isodot“ entwickelt (Abb. 1). Das System arbeitet nach dem Prinzip eines Tachymeters (Messung von Winkeln und Strecken) und verfügt zusätzlich über eine Kamera. Um die Hardwarekosten gering zu halten, wird das System additiv gefertigt. Ergänzend dazu wurde eine eigene Auswertesoftware entwickelt (Abb. 2). Diese ermöglicht nicht nur die Steuerung des Instruments (Drehen, Bildaufnahme, 3D-Punktmessung), sondern umfasst auch verschiedene Rekonstruktionsalgorithmen, um die einzelnen Bauteile aus den gewonnenen Messdaten zu rekonstruieren.
Zur Automatisierung des Arbeitsprozesses kommt Künstliche Intelligenz zum Einsatz (Abb. 3). Diese detektiert und segmentiert in den Bildern die einzelnen Bauteile der Rohrleitung. Auf diese Weise gelingt nicht nur ein automatisierter Anziel- und Messprozess, sondern auch bei der Auswertung werden Nutzerinteraktionen auf ein Minimum reduziert. Der neue Workflow ist in Abb. 4 dargestellt. Am Ende erhält der Isolierer ein 3D-Modell der Rohrleitung, das dank einer weiteren Schnittstelle in die Fertigungssoftware übergeben werden kann. Auch die Überführung ins BIM ist möglich. Das isodot wurde zusammen mit Isolierern in mehreren Feldversuchen und unter verschiedenen Umgebungsbedingungen auf seine Praxistauglichkeit erprobt. Die Stärken des Systems liegen vor allem in Industrieanlagen mit größeren Rohrleitungen und höheren Zielweiten (z. B. an der Decke von Industriehallen). Auch für Objekte aus dem Bereich der Haus- und Lüftungstechnik ist das System einsetzbar.
Ergebnisse und Diskussion
Im Rahmen der Feldversuche und Testmessungen hat sich gezeigt, dass mit dem neuen System Rohre, Bögen, Flansche sowie weitere Bauteile zu einem Großteil erkannt und rekonstruiert werden können (Abb. 5 & 6). Der Anteil schwankt je nach Umgebungsbedingungen, kann aber grob mit 70 % angesetzt werden. Dabei sind Rekonstruktionsgenauigkeiten von 2–3 mm erzielbar. Der neue, digitale Arbeitsprozess ermöglicht außerdem ein doppelt so schnelles Aufmaß gegenüber der bisherigen manuellen Variante. Durch das digitale Aufmaß kann die Passgenauigkeit der Dämmung deutlich gesteigert werden, sodass zusätzliche Nachbesserungsarbeiten auf ein Minimum reduziert und folglich Kosten eingespart werden können. Die Arbeit auf Basis des BIMs stellt aus Sicht des Anlagenbetreibers ebenfalls einen Mehrwert dar, da dieser am Ende ein aktuelles BIM erhält, das für Planungs- und Wartungsarbeiten verwendet werden kann. Durch die Archivierung der Daten zur Dämmung ist später eine einfache Nachfertigung möglich. Zusammengefasst trägt das Projekt zur kostengünstigen Dämmung komplexerer Geometrien bei und steigert die Attraktivität der Dämmmaßnahmen im Industriebereich erheblich. Das Projekt ebnet somit den Weg für die bislang ausbleibende Dämmung komplexer Geometrien und die Ausnutzung des damit verbundenen Einsparpotenzials (jährlich 14 Mtoe in Europa).
Einsatz in der Lehre
Daneben bieten sich für den isodot auch Einsatzszenarien außerhalb der Industrie. Durch die additive Fertigung und die kostengünstige Hardwaretechnik bildet der „OpenTachy“ eine ideale Entwicklungsplattform für Forschung und Lehre. Gerade für Spezialanwendungen kann der modular aufgebaute OpenTachy individuell erweitert oder umgebaut werden. Messprozesse können mithilfe des Systems selbst implementiert und dadurch wesentlich besser verstanden werden. So kann die Lehre, nicht nur im Bereich der Vermessungskunde, völlig neu und praxisnah gestaltet werden.
Publikationen und Videos
Hart, L., Pagels, J., Raab, P., Knoblach, S. (2025): Entwicklung eines Low-Cost Kameratachymeters zur automatisierten Rohrleitungsrekonstruktion, avn – allgemeine vermessungs-nachrichten 01-02/2025. URL: https://gispoint.de/artikelarchiv/avn/2025/avn-ausgabe-01-022025/8334-entwicklung-eines-low-cost-kameratachymeters-zur-automatisierten-rohrleitungsrekonstruktion.html
Pagels, J., Hart, L., Knoblach, S. (2025): Luftkanalrekonstruktion mittels eines Kameratachymeters, avn – allgemeine vermessungs-nachrichten 01-02/2025. URL: https://gispoint.de/artikelarchiv/avn/2025/avn-ausgabe-01-022025/8333-luftkanalrekonstruktion-mittels-eines-kameratachymeters.html
Raab, P., Hart, L., Knoblach, S. (2025): OpenTachy: Entwicklung und Einsatzmöglichkeiten eines Low-Cost-Kameratachymeters für Lehre und Forschung, In: Luhmann, T. & Siebert, T. (Eds.): Photogrammetrie – Laserscanning – Optische 3D-Messtechnik: Beiträge der Oldenburger 3D-Tage und des BIMtages 2025
Hart, L., Raab, P., Knoblach, S. (2025): Automatisierte Rohrleitungsvermessung mithilfe eines Low-Cost Kameratachymeters und KI, In: Luhmann, T. & Siebert, T. (Eds.): Photogrammetrie – Laserscanning – Optische 3D-Messtechnik: Beiträge der Oldenburger 3D-Tage und des BIMtages 2025
https://www.youtube.com/watch?v=r2vSHJF_HSU
Projektteam
Fabius Limpächer